Beweisgründe für " T
E L F E R "
Besonderheiten
bei Tiroler Ortsnamen,
die mit dem Buchstaben 's'
enden
Sicherlich
wissen Sie, dass die Einwohner von Telfs die TELFER
und nicht die Telf-s-er sind. Wissen Sie auch warum? Wenn nicht, dann
darf ich Ihnen hier einige Informationen anbieten.
In Tirol, hauptsächlich in Mittel- und Westtirol, gibt es eine ganze
Reihe von Flur-, Hof- und Ortsnamen, die auf "rätische" und
vorrömische Ursprünge zurückreichen. (Bei der von den Römern überwältigten
Vorbevölkerung, die im Inntal lebte, handelt es sich mit ziemlicher
Sicherheit um die BREUNEN oder
BREONEN.)
Man bezeichnet die Wurzel dieser Ortsnamen zusammenfassend auch als
"vordeutsch",
weil im heutigen Tirol die vorrömische und die raetoromanische Sprache
zeitlich eben vor der bairischen oder deutschen Sprache gesprochen
wurde.
Viele dieser vordeutschen Namen enden auf den Buchstaben -s. Dieses s
ist meistens eine Fallendung und drückt den Ort aus, ist also die
Antwort auf die Frage wo ( = Lokativ, zu deutsch Ortsfall).
Wird nun aber dieser Ortsname abgewandelt, so scheidet in der Ableitung
dieses Schluß-s aus.
Daher darf es niemals "Telfser" sondern
immer nur "Telfer ..." heißen! (In der Mundart von Imst, im
Ötztal und in einigen Nachbargemeinden nennt man uns "die Talfer",
nie aber "Talfser").
Diese
Ausscheidung des "-s" ist bei den allermeisten Ortsnamen mit
vordeutscher Wurzel üblich.
(Vergleiche die nichtdeutsche Endung "-s" mit der deutschen
Endung "-en" in deutschen Ortsnamen wie Göttingen,
Reutlingen, Oberhofen, Pfaffenhofen. Auch sie entfällt in Ableitungen:
Göttinger, Reutlinger, Oberhofer, Pfaffenhofer.)
Es gibt aber auch zusammengesetzte Namen, die in einem Wort geschrieben
werden wie Naudersberg, Timmelsjoch, Taufersberg (bei Umhausen), Vögelsberg
(bei Wattens), Sadersjoch, Lafeirstal u.a. In solchen Zusammensetzungen fällt das -s- keineswegs weg.
Wohl aber in den Ableitungen!
Einige Beispiele gefällig?
Axams - die Axamer Lizum, Götzens - die Götzner Abfahrt, Mutters - die
Mutterer Alm, Natters - der Natterer Doktor, Tulfes - die Tulfer Hütte.
Im Oberinntal:
Zams - das Zammer Krankenhaus, Nauders - das Nauderer Schloß, Ladis -
der Lader Weiher, Obladis - das Oblader Tafelwasser, Kauns - der Kauner
Grat, das Kaunertal, Pians - das Pianner Margarethenkirchl, Grins -
Grinner Zwetschkenschnaps, Tösens - der Tösner Bergbau, Tarrenz -
Tarreter Bier, Karres - die Karrer Höhe, Telfs - Telfer Fasnacht, Ober-
und Unterperfuss - die Oberperfer und Unterperfer, Lüsens - der Lüsener
Fernerkogel.
In den Tälern:
Sautens - das Sautner Kreuz, Jerzens - der Jerzner Hochzeiger, Wenns -
der Wenner Kirchturm, Leins - Leiner, Piößmes - Piößmer, Köfels - Köfler,
Kaisers (Ötztal) und Kaisers (Lechtal) - die Koaserer;
Im Stubai:
Telfes - die Telfer Wiesen
und die Telfer Landesstraße (- auch in Telfes ärgern sich die
Einheimischen über falsche Ableitungen; der Gemeinderat hat sogar am 5.
12. 1988 einen einstimmigen Beschluss gefasst und die
Nomenklatur-Kommission im Landhaus zum richtigen Sprachgebrauch bzw. zur
Richtigstellung aufgefordert!), Kapfers - Kapferer Siedlung, Gagers -
Gagerer Kohlstatt; Mieders - die Miederer, Fulpmes - die Fulpmer
Schmiedegenossenschaft, Milders (bei Neustift)- die Milderer Bergalpe.
Im Wipptal:
Pfons - die Pfoner Brücke, ebenso, Schöfens - Schöfner Bachl, Mützens
und Obfeldes - Mützner, Obfelder (bei Gem. Mühlbachl), Tienzens -
Tienzner, Vinaders - Vinaderer.
Es gibt auch Beispiele aus dem Unterland, allerdings seltener:
Volders - die Volderer Karlskirche, Tulfes - im Tulferer Wald,
Wattens - die Wattener Lizum und das Wattener Himmelreich, Stans (bei
Schwaz) - das Staner Joch, Terfens - die Terfener Dorferneuerung,
Fritzens - Fritzner Keramik, Schlitters - die Schlitterer Kurve, Uderns
- die Uderner Wiesen.
Aus Südtirol:
Villanders - die Villander Alm, Schloß Prösels - der Prösler Hof,
Telfes (bei Sterzing) - die Telfer Weißen (2566m), Flans - die Flaner,
Tschöfs - die Tschöfer, Flains - die Flainer, Thuins - die Thuiner,
Bad Möders - das Möderer Bad, Bad Schalders - das Schalderer Tal,
ebenso in Mauls - die Mauler, obwohl sie es gar nicht so gerne hören
(verständlich!), Vals - der Valler Bach (nördl.von Mühlbach i.P.),
Kiens - der Kiener Bach, Tagusens - Tagusner, Afers - das Aferertal,
u.a.m.
Das s ist nicht immer ein Lokativ-s und wird daher nicht abgetrennt
bei: Pens - Penser Tal, Penser Joch, Tiers - das Tierser Tal, Elvas -
der Elvaser Kopf, Plaus, Sarns, Albeins, Falpaus, Burgeis, Mals - die
Malser Heide, überhaupt bei allen Vintschgauer Namen mit Ausnahme eines
Seitentales, Taufers - das Tauferer Tal. Man sagt aber, obwohl es dem
Nordtiroler Sprachempfinden widerstrebt: die Schlanderser, Tschengelser,
Partschinser, Glurns - Glurnser, Stilfs -Stilfser Joch, u.s.w. Warum
dies ausgerechnet dort so gesprochen wird, sollen die
Sprachwissenschaftler klären. Offenbar hat die Bevölkerung das Gefühl
für die Abtrennung des s verloren.
Kurioserweise gibt es bei Sterzing ein Stilfes, dort spricht man von der
Stilfer Erzpfarre.
Das
Lokativ -s und somit seine Weglassung ist auch in Salzburg unbekannt,
somit auch im östlichen Teil Nordtirols, das ja bis heute zur
Salzburger Erzdiözese gehört (Schlitters und Uderns liegen links des
Zillers).
Im westlichen Nordtirol hingegen ist nachgewiesen, dass die Mundart den
starken Genitiv so sehr bevorzugt, daß sogar Ortsnamen deutschen
Ursprunges ihr -s bekommen (Köfels, Kaisers, Sebls, u.a.) was
allerdings gut in unser historisches Gesamtbild paßt.
Ausnahmen, - ich weiß nicht ob durch falschen Gebrauch oder durch späte
Ortsgründung: Stams - Stamser Kas, das Stamser Stift, Pfunds - die
Pfundser, Mils, Trins, Gries (das s gehört zum Stamm). Bei Navis führte
die Schreibung mit v zur falschen Aussprache "Nawis".
Mundartlich gilt "Nafiss", dessen s kein Lokativ ist; deshalb
die Ableitung Navisser, ebenso Fiß - die Fisser, Serfaus - die Fauser.
Für "Völser Bühel" liegt auch eine Begründung vor: die Völsergasse
oberhalb von Völs heißt alt Velseins und hier sieht man, daß das s
zum Wortstamm gehört.
Ob es bei Vals (- die Valser bei St.Jodok a.Brenner) und somit bei Außervals,
Innervals so ähnlich liegt? Oder haben etwa die Einheimischen
"verlernt", daß es, so wie in Südtirol, "Valler"
heißt?
Durch
allzu häufigen falschen Gebrauch der zahlenmäßig übermächtigen Großstadt
sind auch einige Ableitungen in der Umgebung Innsbrucks fast in
Vergessenheit geratenen. Nur die alteingesessenen Einheimischen
wissen: es heißt in Lans der Lanner See, in Sistrans leben die Sistiger,
in Ampaß die Ampiger, in Aldrans die Aldiger und in Igls die Igler.
Telfs hat zum Ende des letzten und zu Beginn dieses Jahrhunderts durch
die Textilindustrie einen
gewaltigen Zuzug erlebt. Die Telfer waren immer schon relativ tolerant
gegenüber den "Zuagroasten". Hier ist jeder willkommen und
ziemlich rasch akzeptiert und es kann jeder etwas werden. Leider hat
dieser Zuzug auch einen vermehrt fehlerhaften Gebrauch der Ableitung
unseres Ortsnamens Telfs mit sich gebracht. Hinzu kommt, dass der
hochverdiente Schulmeister Josef Schweinester, der von 1899 bis 1934 als
Lehrer und bis zu seinem Tode im Feber 1952 als vielseitiger Chronist
und Verfasser einschlägiger Artikel wirkte, ebenfalls die unrichtige
Ableitung "Telf-s-er" gebraucht hat. Es ist ihm dies zu
verzeihen, da er als schon 26-jähriger Lehrer aus Kirchberg bei Kitzbühel
zugezogen ist. Geboren wurde er dort 1873, und im östlichen Tirol,
also in der Erzdiözese Salzburg, sind unsere vordeutschen Ableitungen
praktisch unbekannt. Allerdings sind mehr als eine Generation von Schülern
mit dem zugezogenen "Telf-s-er" aufgewachsen, der überdies
als hervorragender Meinungsbildner gewirkt hat, weil er fast als
einziger in Zeitungen, Chroniken, Festschriften und Büchern (z.B.
Allerhand Sagen aus Telfs, Fasnachtschroniken, Rettungs-, Feuerwehr-,
Musik- und Ortschronik u.a.m.) publiziert hat. Schweinester wurde für
seine Tätigkeiten verdientermaßen zum Ehrenbürger ernannt.
Obwohl auch in den letzten Jahrzehnten wieder eine bemerkenswerte Welle
des Zuzuges zu vermerken war, Telfs hat ja die 15.000-Einwohner-Grenze
überschritten, so hat der richtige Gebrauch unserer Telfer
Ortsbezeichnung nur selten Schwierigkeiten bereitet. Allerdings fehlt es
den "Neu-Telfern" manchmal an der Erklärung für diese
Tiroler Besonderheit.
Interessant ist auch, dass die vorrömisch-breonische Wurzel unseres
Ortsnamens Telfs auch noch anderswo zu finden ist, u.zw. gibt es die
Gemeinden Telfes im Stubai und Telfes bei Sterzing, Telve im Valsugana,
Tulfes bei Hall, Tulfer bei Sterzing, einen Weiler Telfs bei Ardetz,
eine Flur Telf bei Sent im Unterengadin, die Höfe Telfes bei Kastelruth,
bei Layen im Eisacktal und bei Fiß im obersten Inntal. Im
Indogermanischen bedeutet telv-
etwa "Wiese, Flur", was sich vielleicht auf die weiten flachen
Wiesen bezog im Gegensatz zur erhöhten Lumma
(vorrömisch), d.h. etwa Sumpfgebiet.
Ich hoffe, dass ich eine diesbezügliche Informationslücke habe schließen
dürfen und lade alle Telferinnen und Telfer herzlich ein, bei der
Erhaltung dieses Alttiroler Charakteristikums mitzuwirken.
Bewahren wir
dieses liebgewonnene Stück TELFER Identität!
Autor: Hubert Auer
(vorgetragen am 19.01.1991 vor der Initiativgruppe
"T-11-ER" im
Gemeindeamt der Marktgemeinde Telfs - Fassung 08.04.1999)
Benutzte
Quellen:
Otto Stolz, Telferbuch; Geschichte; Siedlung und Volkstum; S. 45, S 46:
Folgerungen aus den Ortsnamen.
Karl Finsterwalder: Ammann-Festgabe II. Teil 1954; Der verschiedenartige
Ursprung der Orts- und Flurnamenbildung auf -es, -s in Tirol und
Nachbargebieten.
derselbe: Mitteilungen des österr. Alpenvereins, S 86,S 108;
Timmelsjoch oder Timmeljoch.
Alois Lechthaler, Besonderheiten im Gebrauch einiger Tiroler Ortsnamen,
Tiroler Nachrichten 3-11-1955
Univ.-Prof. Dr. Hermann Ölberg, Institut für Sprachwissenschaft,
Universität Innsbruck.
Dr. Egon Kühebacher, Verfasser des Tiroler Sprachatlasses des Südtiroler
Namensbuches, Innichen, Südtirol.
Heimatkundler, Chronisten, Gemeindesekretäre verschiedener Tiroler Gemeinden. |